GWB Wiesa

Waffen des Typs Kalaschnikow sind weltweit verbreitet und wurden nach sowjetischem Vorbild von fast allen Ländern des damaligen „Ostblocks“ produziert. Weniger war in der Öffentlichkeit der DDR bekannt, dass Waffen dieses Typs nach sowjetischer Lizenz und durch eigene Entwicklungen ergänzt im erzgebirgischen Ort Wiesa in der Nähe von Annaberg-Buchholz gefertigt wurden. Der mit dieser Produktion beauftragte Betrieb „VEB Geräte- und Werkzeugbau Wiesa“ wurde im Jahr 1957 gegründet und hatte sich bis zum Jahr 1990 kontinuierlich zu einem leistungsfähigen und modernen
Industriebetrieb und einem international anerkannten Waffenproduzenten entwickelt. Während in den Anfangsjahren versucht wurde, so exakt wie möglich die sowjetische Lizenzdokumentation umzusetzen, wurden hier, beginnend in den 70er Jahren, zunehmend eigene Ideen zur Verbesserung der Technologie und der Erzeugnisse umgesetzt. Bei den technologischen
Prozessen wurde am Ende das Ziel verfolgt, die mechanische Teilefertigung weitestgehend zu automatisieren. Das gelang auch, wurde aber durch die politische Wende jäh unterbrochen. Bei den Erzeugnissen setzte man auf eine gewisse Abkehr von der Lizenzdokumentation, um bestehende Restriktionen des Lizenzvertrages
zu umgehen. Das Ergebnis war die Entwicklung der Sturmgewehrfamilie „WIEGER“ (Akronym aus Wiesa und Germany bzw. Gerätewerk). In diese Erzeugnisse
flossen neben neuen Ideen die jahrelangen Erfahrungen bei der Waffenproduktion ein und es entstand ein Waffensystem, das der internationalen Konkurrenz in Bezug auf Zuverlässigkeit, Trefferleistung und Robustheit überlegen war. Bei durchgeführten Vergleichen im Ausland zeigte sich diese Überlegenheit deutlich und im Ergebnis wurden Verträge über Lieferungen enormer Stückzahlen
avisiert bzw. abgeschlossen, die im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands unter Zahlung von Konventionalstrafen gekündigt wurden. Mit einem durch die
veränderte politische Situation initiierten Beschluss des Ministerrates der DDR vom 14. 12. 1989 zur schrittweisen Einstellung der Waffenproduktion endete die Ära dieses Industriezweiges in der DDR und damit die Hauptproduktion des GWB Wiesa. Der GWB Wiesa war am Ende seines Bestehens mit seinen ca.1400 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber im Kreis Annaberg. Ein nachfolgender Versuch, eine zivile Produktion mit Hydraulikbauteilen im GWB Wiesa aufzubauen, scheiterte. Im Jahr 1990 kam das endgültige Aus und der Betrieb wurde abgewickelt. Rückblickend kann gesagt
werden, dass heutige Ansätze wie Digitalisierung, Industrie 4.0 und ein breites Spektrum sozialer Leistungen wie Betriebskindergarten, Betriebsarzt, eigene
Werksküche, eigene Ferieneinrichtungen, kostenloser Werkverkehr bis zur Betreuung der Pensionäre in den 80er Jahren im GWB Wiesa schon Realität waren. Eine eigene Lehrausbildung sorgte für den erforderlichen Nachwuchs an Fachkräften. Attribute wie desolater Zustand der Produktionseinrichtungen und heruntergekommene Gebäudesubstanz oder eine Produktpalette nicht weltmarktfähiger
Erzeugnisse, wie sie vielen DDR-Betrieben nach der politischen Wende 1990 angelastet wurden, trafen auf den GWB Wiesa nicht zu. Im Gegenteil – die Leistungsfähigkeit des Betriebes und die internationale Reputation seiner Erzeugnisse waren eine zu starke Konkurrenz für die etablierten Waffenhersteller in den
westlichen Ländern. Ausdruck für den allgemeinen Zustand des GWB Wiesa waren auch staatliche Auszeichnungen und Anerkennungen wie

• der „Karl-Marx-Orden“ für das gesamte Betriebskollektiv
• die Anerkennungen als „Energiewirtschaftlich vorbildlich arbeitender Betrieb“
• „Wasserwirtschaftlich vorbildlich arbeitender Betrieb“
• „Bereich der vorbildlichen Ordnung und Sicherheit“

Mehr als 1000 Betriebs- und Organisationsanweisungen legten die Verantwortlichkeiten für alle Phasen des Betriebsablaufes fest.

Oft werden in der Öffentlichkeit leider negative Berichterstattungen zum Thema Waffenexport in die Dritte Welt in den Vordergrund gestellt. Dieses Thema
wird in dieser Ausstellung auch aufgegriffen. Es werden dabei einerseits die Kennzahlen der Waffenexporte aufgeführt, die im internationalen Vergleich fast
vernachlässigbar waren. Auf der anderen Seite werden auch die Verantwortlichkeiten genauer erläutert. Daraus geht hervor, dass Entscheidungen zu Rüstungsexporten in der DDR ausschließlich von zentralen Stellen in Berlin getroffen wurden. Auf die staatlichen Planvorgaben für die zu produzierenden Stückzahlen und auf die Verteilung und Vermarktung der gefertigten Erzeugnisse
hatte der GBW Wiesa keinen Einfluss. Die Ausstellung soll deshalb vordergründig die ingenieurtechnischen Leistungen würdigen, die den GWB Wiesa zu einem technologisch anspruchsvollen
und mit seinen Erzeugnissen weltweit anerkannten Betrieb gemacht haben.